WG12 – Briefentwurf an Alma Mahler
Timmendorfer Strand, Freitag, 22. Juli 1910

Wieder ein neuer Tag.
Du verschlingst mich, stun-
denlang liege ich schon wach
\und jetzt erst fällt mir meiner Geb.[urtstag] ein/
und denke an die grausige
Ferne, ich seh möchte Dich
umschlingen mit aller In-
brunst und halten für immer.

_______
Ehe ich Dich kennen lernte glaubte
ich schon das Leben hätte
mich reicher gemacht, nun
bin ich fast erschreckt, daß
an einem Tage wie heute
der mehr denn je unter
dem Zeichen der Sehnsucht nach
Dir steht, Pietät und Rührung
mich so hilflos fortreißen
und ich mir zeigen, daß
die Empfindsamkeit meines
Herzens, \die/ so lange Jahre
gebunden war,

Ich lese
Briefe, er spricht mir aus
der Seele:

 Wenn die verlogene u impotente
Pruderie des 19. u 20 Jahr[hundert]s
auf das ärgste schreit und
zetert, sobald sie ange-
sichts eines Werkes der
Plastik der Malerei oder
Dichtung die leiseste Erotik
verspürt, so beweist das
bei alledem nichts weiter;

_____
Es ist doch sehr gut, wenn man
mit seinem Lob zurückheilt.
eben lobte ich einer Mutter
den Artikel ihres Sohnes
und sie drückte mir
gerührt die Hand


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (2 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

keine.

Datierung

Aufgrund des Passus und jetzt erst fällt mir meiner Mutter Geb.[urtstag] ein lässt sich dieser Entwurf auf den 22. Juli 1910 datieren, den Geburtstag von .

Übertragung/Mitarbeit


(Jannik Franz)